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Gehmeditation nach Thich Nhat Hanh

Gehmeditation nach Thich Nhat Hanh

Die Gehmeditation (im Original Walking Meditation) ist eine Praxis, die besonders durch den vietnamesischen Zen-Meister Thich Nhat Hanh bekannt wurde. Thich Nhat Hanh, einer der bekanntesten und einflussreichsten Lehrer der Achtsamkeit im 20. und 21. Jahrhundert, integrierte die Gehmeditation in seine Lehren zur Achtsamkeit als eine Methode, um den gegenwärtigen Moment mit allen Sinnen zu erleben und eine tiefe Verbindung zum eigenen Körper und zur Umwelt zu entwickeln.

Ursprung und Philosophie der Gehmeditation

Die Gehmeditation ist Teil der Achtsamkeitspraxis (Mindfulness), die in verschiedenen buddhistischen Traditionen praktiziert wird, besonders im Zen-Buddhismus. Sie basiert auf der Idee, dass jeder Moment des Lebens – einschließlich der Bewegung – mit voller Achtsamkeit erlebt werden kann. Die Gehmeditation ist eine Form der achtsamen Bewegung, bei der der Mensch bewusst seinen Gang, seine Atmung und seine Umgebung wahrnimmt.

In den buddhistischen Traditionen, insbesondere im Zen und im Théravada-Buddhismus, ist Achtsamkeit ein zentrales Prinzip. Dabei geht es darum, in jedem Moment bewusst und ohne Urteil zu leben. Thich Nhat Hanh hat diese Praxis der Gehmeditation als ein Werkzeug entwickelt, das nicht nur während der Meditation im Sitzen, sondern auch im alltäglichen Leben angewendet werden kann.

Thich Nhat Hanh und die Gehmeditation

Thich Nhat Hanh, der sowohl ein spiritueller Lehrer als auch ein engagierter Friedensaktivist war, betrachtete Achtsamkeit nicht nur als eine Technik für die Meditation, sondern als eine Lebensweise, die in allen Aspekten des Lebens integriert werden kann. Für ihn ist Achtsamkeit die Praxis des bewussten Erlebens jedes Moments, und dies schließt auch die Bewegung und das Gehen ein. Die Gehmeditation ist eine der zugänglichsten Formen der Achtsamkeitspraxis, weil sie jederzeit und überall durchgeführt werden kann – ob zu Hause, auf der Arbeit oder in der Natur.

Thich Nhat Hanh beschreibt das Gehen in der Meditation als eine Verbindung von Körper und Geist, bei der der Körper in völliger Achtsamkeit bewegt wird. Es ist ein Weg, die spirituelle Praxis zu vertiefen, den Geist zu beruhigen und das volle Potenzial des gegenwärtigen Moments zu erfahren.

Die Praxis der Gehmeditation

Die Gehmeditation, wie sie von Thich Nhat Hanh gelehrt wird, folgt einer einfachen, aber tiefgründigen Struktur:

  1. Langsame, bewusste Schritte:
    • Beim Gehen in der Meditation wird jeder Schritt bewusst wahrgenommen. Die Bewegungen sind langsam und achtsam, ohne Hektik oder Hast. Thich Nhat Hanh empfiehlt, sich auf den Atem zu konzentrieren und mit jedem Schritt einen Atemzug zu verbinden. Zum Beispiel: „Einatmen – ein Schritt. Ausatmen – ein Schritt.“
  2. Atem und Bewegung synchronisieren:
    • Der Atem ist ein zentraler Bestandteil der Gehmeditation. Thich Nhat Hanh lehrt, dass jeder Schritt mit dem Atem in Einklang stehen sollte. Dies hilft, den Geist zu beruhigen und den Körper zu entspannen. Es entsteht eine harmonische Verbindung zwischen der Atmung und der Bewegung, die eine tiefe Präsenz und Achtsamkeit im Moment fördert.
  3. Präsenz und Wahrnehmung:
    • Achtsamkeit wird auf jede einzelne Bewegung und den gesamten Körper gerichtet. Man spürt den Kontakt der Füße mit dem Boden, das Anheben des Beins, den Wechsel zwischen dem Stehen und dem Gehen. Der Körper wird als lebendiges, atmendes Wesen wahrgenommen.
    • Auch die Umwelt wird mit allen Sinnen wahrgenommen – der Wind auf der Haut, das Geräusch der Schritte, die Farben und Formen der Umgebung. Alles wird in einem Zustand der offenen, nicht bewertenden Aufmerksamkeit erlebt.
  4. Gedanken beobachten:
    • Während des Gehens ist es normal, dass Gedanken auftauchen. Thich Nhat Hanh rät dazu, diese Gedanken einfach zu beobachten, ohne sich von ihnen mitreißen zu lassen. Der Fokus bleibt auf der Gegenwart, und der Gedanke wird einfach als ein weiteres Phänomen im Fluss des Bewusstseins wahrgenommen.
  5. Langsame und friedliche Schritte:
    • Die Praxis ist keine schnelle „Übung“, sondern eine Einladung, das Gehen selbst zu einem Akt der Meditation zu machen. Langsame, gleichmäßige Schritte helfen, den Geist zu beruhigen und das eigene Sein in den Fokus zu rücken. Die Vorstellung ist, dass jede Bewegung ein Teil des gesamten Bewusstseinsprozesses wird.

Ziele und Vorteile der Gehmeditation

Die Gehmeditation, wie sie von Thich Nhat Hanh unterrichtet wird, hat viele Vorteile für Körper, Geist und Seele:

  1. Achtsamkeit im Alltag entwickeln:
    • Die Gehmeditation hilft, Achtsamkeit in den Alltag zu integrieren. Da sie überall praktiziert werden kann – beim Spaziergang in der Natur, beim Gang zur Arbeit oder beim Einkaufen – fördert sie die Fähigkeit, den Moment bewusst zu erleben, ohne sich von den üblichen Ablenkungen des Lebens vereinnahmen zu lassen.
  2. Beruhigung des Geistes:
    • Wie bei der Sitzmeditation hilft auch die Gehmeditation, den Geist zu beruhigen und in den gegenwärtigen Moment zu bringen. Durch den Fokus auf den Atem und die Bewegung wird der innere Dialog verringert und eine tiefere Form der inneren Stille erreicht.
  3. Förderung von Achtsamkeit und Mitgefühl:
    • Die Gehmeditation fördert eine Haltung des Mitgefühls gegenüber sich selbst und anderen. Indem man den eigenen Körper und den Moment wahrnimmt, entwickelt man eine achtsame Haltung gegenüber anderen und der Welt um sich herum. Thich Nhat Hanh betont, dass Achtsamkeit auch in der Begegnung mit anderen Menschen praktiziert werden sollte.
  4. Körperliche Gesundheit:
    • Die Gehmeditation ist eine sanfte, aber effektive Methode, den Körper zu bewegen und gleichzeitig Achtsamkeit zu üben. Sie fördert die Kondition, verbessert die Koordination und steigert das allgemeine Wohlbefinden.
  5. Verbindung zur Erde und Natur:
    • Der Kontakt mit der Erde, das Wahrnehmen der Schrittabdrücke im Boden, hilft, eine tiefere Verbindung zur Natur und zu sich selbst herzustellen. Thich Nhat Hanh spricht oft von der Praxis der Gehmeditation als einer Art „Vereinigung mit der Erde“. Der physische Kontakt mit dem Boden erinnert daran, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind.

Gehmeditation als Friedenspraxis

Für Thich Nhat Hanh war Achtsamkeit nicht nur ein individuelles Werkzeug zur inneren Ruhe, sondern auch eine Praxis, die in den Dienst des Friedens und der sozialen Veränderung gestellt werden kann. Durch die friedliche, achtsame Praxis des Gehens möchte er den Menschen beibringen, wie sie in einem Zustand des Friedens und der Gelassenheit leben können, um diesen Frieden in die Welt zu tragen.

Thich Nhat Hanh ist bekannt für seinen Begriff der „Engagierten Achtsamkeit“, was bedeutet, dass die Praxis des Friedens und der Achtsamkeit nicht nur eine innere Übung ist, sondern sich auch auf das Leben in der Gesellschaft auswirkt. Er ermutigt seine Schüler, mit Achtsamkeit zu handeln, und betrachtet die Gehmeditation als eine Möglichkeit, auf friedliche und achtsame Weise in der Welt zu gehen.


Die Gehmeditation von Thich Nhat Hanh ist eine kraftvolle Praxis, die den Körper, den Geist und die Umwelt miteinander verbindet. Sie lehrt, mit jedem Schritt achtsam und bewusst zu leben, was nicht nur zu mehr innerer Ruhe und Achtsamkeit führt, sondern auch dazu beiträgt, das tägliche Leben als eine Art von Meditation zu erfahren. Diese Praxis kann als Ergänzung zur traditionellen Sitzmeditation genutzt werden und hilft dabei, die Prinzipien der Achtsamkeit und des Mitgefühls in den Alltag zu integrieren. Thich Nhat Hanh’s Gehmeditation ist eine Einladung, langsamer zu werden, den Moment zu schätzen und in jedem Schritt das Leben zu feiern.

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