Achtsamkeit (im Englischen oft als Mindfulness bezeichnet) ist eine Praxis, die ihren Ursprung in buddhistischen Traditionen hat, aber mittlerweile auch in der westlichen Welt weit verbreitet ist und in verschiedenen Kontexten wie der Psychologie, Gesundheitsförderung und Stressbewältigung Anwendung findet. Achtsamkeit bedeutet, den gegenwärtigen Moment bewusst und ohne Wertung wahrzunehmen und zu erleben. Sie fördert eine aufmerksame, nicht wertende Haltung gegenüber Gedanken, Gefühlen und Sinneseindrücken und trägt dazu bei, ein tieferes Verständnis für die eigene Innenwelt zu entwickeln.
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Pater Anselm Grün beschreibt es so : „Ein anderes Wort für Achtsamkeit ist Sammlung. Wer gesammelt ist, der bringt in sich das Verschiedene und Zerstreute zusammen. Er ist mit sich selbst vereinigt. Er ist eins mit sich, eins mit dem, was er tut. Er lässt sich nicht von den verschiedensten Dingen und Tätigkeiten ablenken. Er bringt alles zusammen. Das Wort Sammlung klingt in allen Worten an, die mit dem Suffix “sam” enden. Der Acht”same” bringt die Achtung, die Überlegung mit seinem Tun, mit dem Gegenstand, den er berührt, mit dem Augenblick zusammen. Der Behut-“same” verbindet die Hut, den Schutz, mit dem, was er tut. Er breitet über alles, was er tut, seine Fürsorge, seine Obhut, seine Bewachung. Er ist wach bei dem, was er tut. Und das Wort “Sammlung” ist eingegangen in das Wort “sanft”. Sanft ist der, der friedlich zusammen ist mit den Menschen und mit den Dingen, mit denen er umgeht. So führt die Sammlung heraus aus der Zerstreuung, aus der Ablenkung, aus der Unruhe, und hinein in ein gesammeltes, achtsames, sanftes Tun. Wer zusammen ist mit dem, was er berührt, der geht sanft damit um.“
Die Achtsamkeitspraxis hat ihre tiefsten Wurzeln in der buddhistischen Tradition, insbesondere in der Vipassana-Meditation (auch als „Einsichtsmeditation“ bekannt), die vor mehr als 2.500 Jahren von Buddha selbst unterrichtet wurde. Achtsamkeit (auf Pali: sati) war eines der zentralen Elemente des Achtfachen Pfades, dem ethischen und geistigen Leitfaden, den Buddha zur Überwindung von Leid und Erreichen von Erleuchtung vorschlug. Im Buddhismus umfasst Achtsamkeit das bewusste Wahrnehmen von Körperempfindungen, Gedanken und Emotionen sowie die Entwicklung von Mitgefühl und Weisheit. Die Praxis soll den Geist von Ablenkungen und Verstrickungen befreien und zu einem Zustand der inneren Ruhe und Einsicht führen.
Buddhismus und westliche Psychologie
Die Achtsamkeitspraxis wurde zunehmend in die westliche Psychotherapie integriert. In den 1970er Jahren begann der amerikanische Arzt und Meditationslehrer Jon Kabat-Zinn mit der Entwicklung der Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR), einem strukturierten Achtsamkeitstraining, das Menschen dabei hilft, mit Stress, chronischen Schmerzen und anderen gesundheitlichen Problemen umzugehen. Diese Praxis zog schnell die Aufmerksamkeit der westlichen Psychologie und Gesundheitswissenschaften auf sich. MBSR ist ein Programm, das die Achtsamkeit mit kognitiver Verhaltenstherapie kombiniert. Beide Programme sind wissenschaftlich gut untersucht und haben sich als effektiv erwiesen, um Menschen bei der Bewältigung von Stress, Angst, Depressionen und chronischen Schmerzen zu unterstützen.
Es ist ein strukturiertes 8-Wochen-Programm, das den Teilnehmern eine Vielzahl von Achtsamkeitstechniken vermittelt, einschließlich Achtsamkeit im Sitzen (Meditation), Gehmeditation, Körperwahrnehmung und sanften Yogaübungen. Ziel der Praxis ist es, Menschen zu helfen, mit Stress und emotionalen Belastungen besser umzugehen und eine tiefere Lebensqualität zu erfahren.
Zen-Buddhismus
In Zen-Buddhismus ist Achtsamkeit ein zentrales Element der Zazen-Meditation, einer Praxis, bei der man in stiller, sitzender Haltung den Atem beobachtet und die Gedanken ohne Anhaftung vorbeiziehen lässt. Zen betont das direkte Erleben des gegenwärtigen Moments und das Loslassen von Konzepten und Bewertungen.
Die Kernprinzipien der Achtsamkeit
Achtsamkeit bedeutet, vollständig im gegenwärtigen Moment zu sein, mit einer offenen, aufmerksamen und nicht wertenden Haltung. Es geht darum, sich nicht in Gedanken über die Vergangenheit oder die Zukunft zu verlieren, sondern die Erfahrung des gegenwärtigen Moments in seiner ganzen Tiefe und Fülle wahrzunehmen.
Sie ist die Fähigkeit, bewusst im Hier und Jetzt zu sein. Oft sind wir in Gedanken über die Vergangenheit oder die Zukunft verhaftet, was zu Stress, Sorgen oder einem Gefühl der Entfremdung führen kann. Achtsamkeit bringt den Geist zurück in den gegenwärtigen Moment, um die Welt mit allen Sinnen wahrzunehmen und zu erleben. Diese Präsenz umfasst sowohl die äußeren Eindrücke (wie Geräusche, Gerüche, Geschmack und Berührungen) als auch die inneren Erfahrungen (wie Gedanken und Emotionen).
Nicht-Wertung (Non-Judgment):
Ein zentrales Merkmal der Achtsamkeit ist das Nicht-Werten von Erfahrungen. Es geht darum, alles, was im gegenwärtigen Moment passiert, zu beobachten, ohne es sofort als „gut“ oder „schlecht“ zu beurteilen. Diese Haltung fördert eine Akzeptanz des Momentanen und hilft, negative Gedanken oder Emotionen ohne Widerstand zu erleben. Diese Praxis der „offenen Wahrnehmung“ fördert ein gesundes Verhältnis zu den eigenen Gedanken und Gefühlen und hilft, sich von reaktiven Mustern zu befreien.
Akzeptanz:
Achtsamkeit beinhaltet auch eine akzeptierende Haltung gegenüber dem, was ist. Es geht darum, das Leben und seine Umstände zu akzeptieren, ohne sie sofort ändern oder kontrollieren zu wollen. Diese Haltung der Akzeptanz reduziert Widerstand und fördert die innere Ruhe. In der Praxis bedeutet dies, dass man sich mit allen Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen annehmen kann, ohne sie zu verdrängen oder zu ignorieren. Die Akzeptanz fördert ein Gefühl der Ruhe, selbst inmitten von Schwierigkeiten.
Beobachtung (ohne Anhaftung):
Ein wichtiger Aspekt der Achtsamkeit ist die Beobachtung von Gedanken und Gefühlen, ohne sich mit ihnen zu identifizieren oder an sie anzuhängen. Wir neigen dazu, unsere Gedanken und Emotionen zu „besitzen“, was zu einer festen Identifikation mit bestimmten Mustern führen kann. In der Achtsamkeitspraxis lernen wir, Gedanken als vorübergehende Ereignisse im Geist zu sehen, die kommen und gehen, ohne dass wir uns mit ihnen verknüpfen müssen.
Achtsamkeit in Bewegung:
Achtsamkeit muss nicht nur im Sitzen geübt werden. Sie kann auch in alltäglichen Aktivitäten integriert werden, wie beim Gehen, Essen, Sprechen oder sogar beim Autofahren. Die Praxis besteht darin, jede Handlung mit voller Präsenz und Aufmerksamkeit zu tun, was eine tiefere Verbindung zum Leben und den eigenen Handlungen herstellt. Mehr dazu liest du unter dem Menuepunkt „Gehmeditation nach Thich Nhath Hanh„
Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Achtsamkeit
Die Forschung über Achtsamkeit hat in den letzten Jahrzehnten exponentiell zugenommen, und es gibt mittlerweile eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien, die die positiven Auswirkungen der Achtsamkeitspraxis belegen:
- Stressbewältigung: Achtsamkeit hat sich als äußerst effektiv bei der Reduzierung von Stress erwiesen. Sie hilft, die physiologischen Reaktionen auf Stress zu mildern und den Geist in einen Zustand der Ruhe zu versetzen.
- Verbesserung der emotionalen Gesundheit: Studien zeigen, dass regelmäßige Achtsamkeitspraxis zu einer Reduzierung von Angstzuständen, Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen führen kann. Sie fördert das emotionale Gleichgewicht und hilft, mit belastenden Gefühlen besser umzugehen.
- Förderung der kognitiven Fähigkeiten: Achtsamkeit kann die Aufmerksamkeit, Gedächtnisleistung und kognitive Flexibilität verbessern. Sie hat auch positive Auswirkungen auf die Selbstregulation und hilft, impulsives Verhalten zu reduzieren.
- Schmerzlinderung: Achtsamkeit hat sich als hilfreich bei der Bewältigung chronischer Schmerzen erwiesen. Sie verändert die Wahrnehmung von Schmerz, wodurch Menschen besser mit unangenehmen Körperempfindungen umgehen können.
- Neuroplastizität: Studien zeigen, dass Achtsamkeitspraxis positive Veränderungen im Gehirn hervorruft, insbesondere in Bereichen, die mit Aufmerksamkeit, Emotionsregulation und Selbstbewusstsein zu tun haben. Es wurde gezeigt, dass regelmäßige Meditationspraxis die Dicke der grauen Substanz im Gehirn verändert, was zu einer verbesserten emotionalen Stabilität und kognitiven Flexibilität führt.
Achtsamkeit im Alltag
Achtsamkeit kann und sollte in den Alltag integriert werden, um ihre Vorteile voll auszuschöpfen. Ob beim Gehen oder Atmen.