Kritisiere nicht, was du nicht verstehen kannst.
Bob Dylan
Na, hast du heute auch schon wieder jemanden öffentlich kritisiert ?
Vielleicht sogar jemanden aus deiner Familie, deinen Arbeitskollegen, deinen Chef, eine Autowerkstatt, einen Politiker ? Lass es – und ich sage dir auch warum.
Öffentliche Kritik ist nutzlos, drängt den anderen in die Defensive und zur Rechtfertigung. Zudem ist Kritik oft gefährlich, wenn sie den Stolz des anderen verletzt. Sie führt in den allerseltesten Fällen zu einer nachhaltigen Besserung, sondern fördert oft einen jahrzehntelangen zwischenmenschlichen Unmut ! Ein Sprichwort sagt : Vorwürfe sind wie Brieftauben – sie kehren immer wieder zum Schlag zurück.
Sicherlich hast du in deinem Leben ähnliche Erfahrungen gemacht wie ich. Du bist verärgert über eine Mail oder eine Aussage – sie hat etwas in dir getriggert. Du fühlst dich ungerecht behandelt, setzt dich an den Comouter und willst es klarstellen, dich wehren. Und so greifst du ziellos zu allen Waffen der Rechtfertigung mit einer gepfefferten Mail und schickst sie ab.
Kaum ist sie weg, verlässt dich das Gefühl der Selbstsicherheit ganz schnell. Es kommen Zweifel, ob du nicht überreagiert hast und über das Ziel hinausgeschossen bist. „Ach egal, ich bin im Recht !“ – höre ich dich sagen. Und doch verspürst du die nächsten Tage Angst vor einer Antwort, die dich verletzen könnte, denn eigentlich bist du harmoniebedürftig.
Kommt dir das Muster bekannt vor ?
Du bist nicht allein.
Selbst der berühmte US Präsident Abraham Lincoln machte sich in jungen Jahren als Anwalt über seine Gegner und Politiker in öffentlichen aber anonymen Briefen in der Zeitung lustig. Bis einer diese Verunglimpfung nicht ertrug, ihn als Verfasser ausfindig machte, und zur öffentlichen Entschuldigung verpflichtete. Als Lincoln dieser Aufforderung nicht nachkam, forderte Shields ihn zum Duell. Als derjenige welcher herausgefordert wird, oblag Lincoln die Wahl der Waffen, und aufgrund seiner Armreichweite wählte er die Kavalleriesäbel.Man traf sich auf einer Sandbank im Mississippi zum Duell, und Shields erkannte schnell seinen Reichweitennachteil, so dass ein Waffenstillstand vereinbart wurde.
Lincoln selbst war jedoch derart geprägt von den Auswirkungen seines Leserbriefes, das er fortan beschloss, niemanden mehr öffentlich zu kritisieren.
Nie wieder schrieb er einen beleidigen Brief oder machte andere lächerlich.Die ganze Geschichte könnt ihr hier lesen :
Lincoln vs Shields ( extener Link)
Bist du dir deiner Konsequenzen bewusst, welche die öffentliche Kritik an anderen Mitmenschen auslöst ?
Kritik führt zur Kränkung – auch zu deiner eigenen. Vielleicht trägst du sogar Kritik noch mit dir herum, welche du vor Jahrzehnten erfahren hast. Vielleicht gibt es immer noch jemanden in deinem Leben, dem du bis heute nicht verzeihst, weil diese Person dich kritisiert hat. Und denjenigen, die du kritisiert hast, geht es nun genauso mit dir – du bist ein Leben lang eine „Person non grata“.
Denk immer daran : Jeder Narr kann kritisieren !
Und Kritik hat Menschen oft dazu gebracht, an ihren eigenen Fähigkeiten zu zweifeln und sogar in den Selbstmord getrieben. Menschen sind keine logischen Wesen, sondern voller Gefühle und Emotionen. Vergiss dieses bitte nicht, bevor du das nächste mal eine wütende Mail verfasst.
Als Soldat habe ich den Begriff der militärischen Nacht gelernt :
„Als militärische oder preußische Nacht bezeichnet man die ursprünglich in Armeen übliche Regelung, Beschwerden und Ähnliches erst nach Ablauf einer Nacht zuzulassen, um ein Überdenken des Anlasses zu gewährleisten.“ (Quelle : Wikipedia)
Eine Regelung mit der ich sehr gut zurechtkommen – schlaf eine Nacht drüber, bevor du reagierst.
Ich hoffe ich konnte dir mit diesem Blogbeitrag ein paar Denkanstösse vermitteln und möchte mit einer kurzen Geschichte schliessen, welche ich ähnlich selbst erlebt habe.
Jeder Familienvater hat, kann diese bestimmt nachvollziehen :
„Vater vergisst“ (von W. Livingston Larned)
„Hör zu, mein Sohn, ich spreche zu dir, während du schläfst, die kleine Faust unter der Wange geballt, die blonden Löckchen auf der feuchten Stirn verklebt. Ich habe mich ganz allein in dein Zimmer geschlichen. Vor ein paar Minuten, während ich in der Bibliothek über meiner Zeitung saß, erfasste mich eine Woge von Gewissensbissen. Reumütig stehe ich nun an deinem Bett.
Ich musste daran denken, daß ich böse mit dir war, mein Sohn. Ich habe dich ausgescholten, während du dich anzogst, weil du mit dem Lappen nur eben über das Gesicht gefahren bist. Ich stellte dich zur Rede, weil deine Schuhe schmutzig waren. Ich machte meinem Ärger Luft, weil du deine Sachen auf den Boden fallen ließest. Auch beim Frühstück fand ich manches auszusetzen. Du verschüttetest den Inhalt deiner Tasse. Du schlangst das Essen hinunter. Du stütztest die Ellbogen auf den Tisch. Du strichst die Butter zu dick aufs Brot. Als du zu deinen Spielsachen gingst und ich mich auf den Weg zur Arbeit machte, da hast du dich umgedreht, gewinkt und mir zugerufen: „Auf Wiedersehen, Daddy“, doch ich runzelte die Stirn und gab zur Antwort: „Halte dich gerade und mach keinen solchen Buckel!“
Am späten Nachmittag ging es von neuem los. Als ich die Straße heraufkam, sah ich, wie du auf dem Boden knietest und mit Murmeln spieltest. Die Strümpfe waren an den Knien durchgewetzt. Ich beschämte dich vor deinen Freunden und befahl dir, vor mir her ins Haus zu gehen. „Strümpfe sind teuer, wenn du sie selber kaufen müsstest, würdest du mehr Sorge dazu tragen!“ Das, mein Sohn, warf dir dein Vater vor! Weißt du noch, später, als ich meine Zeitung las, da kamst du in die Bibliothek, schüchtern, in deinen Augen eine Spur von Traurigkeit. Als ich über den Rand der Zeitung blickte, ungeduldig, weil ich nicht gestört sein wollte, da bliebst du in der Tür stehen. “Was willst du?“ schnauzte ich dich an. Du sagtest nichts, stürmtest nur mit einem Satz durchs Zimmer, warfst mir die Arme um den Hals und küsstest mich, und deine kleinen Arme drückten mich mit einer Zuneigung, die Gott selber in dein Herz gepflanzt hat und die trotz aller Vernachlässigung immer weiterblühte. Plötzlich warst du weg, ich hörte dich die Treppe hinauftrappeln.
Kurz nachdem du weggegangen warst, mein Sohn, glitt mir die Zeitung aus den Händen, und eine grauenhafte Angst erfasste mich. Was war aus mir geworden? Vorwürfe und Tadel ohne Ende, damit vergalt ich dir, dass du ein Kind warst. Nicht, dass ich dich nicht liebe, ich habe nur zu viel von dir erwartet und dich nach dem Maßstab meiner eigenen Jahre beurteilt, als ob du schon erwachsen wärst. Dabei ist doch so manches an dir gut und schön und echt gewesen. Dein kleines Herz war groß wie der erwachende Tag über den Hügeln. Das zeigte sich in deinem plötzlichen Entschluss, auf mich zuzustürmen und mir einen Gutenachtkuss zu geben. Das ist das Wichtigste, mein Sohn, alles andere zählt nicht.
Ich bin in der Dunkelheit an dein Bett geschlichen und habe mich beschämt daneben hingekniet. Das ist ein schwaches Bekenntnis; ich weiß, du würdest nicht verstehen, was ich meine, wenn ich dir all das bei Tageslicht erzählen würde. Doch von morgen an werde ich ein richtiger Daddy zu dir sein. Wir werden Freunde werden, und ich werde mit dir traurig sein, wenn du traurig bist, und mit dir lachen, wenn du lachst. Eher werde ich mir die Zunge abbeißen, als ein vorwurfsvolles Wort aus meinem Mund zu lassen. Und immerzu werde ich mir sagen: “Er ist ja noch ein Junge, nichts als ein kleiner Junge!“
Ich fürchte, ich habe dich als Mann gesehen. Doch wenn ich dich jetzt anschaue, wie du müde in deinem Bettchen liegst, dann sehe ich, dass du noch ein kleines Kind bist. Erst gestern noch trug dich deine Mutter auf dem Arm, und dein Köpfchen lag an ihrer Schulter. Ich habe zu viel von dir verlangt, viel zu viel.“
Dieser Artikel basiert zum großen Teil aus dem Kapitel „Wer den Honig will, muss der Biene sumsum leiden“ aus dem Buch „Wie man Freunde gewinnt“ von Dale Carnegie. Ein großartiges Buch, welches ich euch sehr ans Herz lege.