Der Epikurismus ist eine antike philosophische Strömung, die im 4. Jahrhundert v. Chr. von Epikur gegründet wurde. Diese Philosophie konzentriert sich auf das Streben nach Glück und innerem Frieden durch das Verständnis und die Kontrolle der eigenen Begierden und Ängste. Der Epikurismus hat eine starke ethische Ausrichtung und betont, dass das höchste Ziel des Lebens die Lust (griechisch hēdonē) ist – jedoch nicht im sinnlichen oder hedonistischen Sinne, sondern als ein Zustand der geistigen Ruhe und Freiheit von Schmerz und Angst.
Zentrale Ideen des Epikurismus:
Das höchste Gut: Lust (Hedonismus):
- Epikur definierte Lust als das höchste Gut und das Ziel des Lebens, aber dabei betonte er, dass es sich nicht um die unkontrollierte Jagd nach sinnlichen Vergnügungen handelt. Vielmehr geht es um geistige Lust und das Vermeiden von Schmerz (ataraxia). Epikur unterscheidet zwischen lustvollen Erlebnissen, die zu einem nachhaltigen Wohlbefinden führen, und solchen, die nur kurzfristige, flüchtige Befriedigung bringen.
- Die wahre Lust ist nicht die unmittelbare Befriedigung von Begierden, sondern das Erreichen eines Zustands der inneren Ruhe und der Abwesenheit von Schmerz und Sorgen. Dies wird als Ataraxie bezeichnet – ein Zustand der Seelenruhe, in dem man von inneren Konflikten, Ängsten und Begierden befreit ist.
Die Bedeutung von Freundschaft:
- Für Epikur war die Freundschaft eine der wichtigsten Quellen für Lust und das Erreichen von Glück. Freundschaft basiert auf Gegenseitigkeit, Vertrauen und der Fähigkeit, in schwierigen Zeiten füreinander da zu sein. In der Gemeinschaft mit anderen können die Menschen in einem sicheren Umfeld ihre Bedürfnisse und Ängste überwinden, was zur Ataraxie beiträgt.
Die Begrenzung der Begierden:
- Epikur unterscheidet zwischen natürlichen und notwendigen Begierden (z. B. Hunger, Durst, Schlaf) und unnötigen, überflüssigen Begierden (z. B. übermäßiger Luxus oder Ruhm). Er lehrte, dass man die unnötigen Begierden meiden sollte, um ein erfülltes Leben zu führen. Die Kontrolle und Reduzierung dieser Begierden führt zu weniger Leid und mehr innerer Zufriedenheit.
- Ein einfaches, bescheidenes Leben, das sich auf das Wesentliche konzentriert, führt zu einem höheren Maß an Lust und Glück, weil es weniger Enttäuschungen und Schmerzen mit sich bringt.
Die Abwesenheit von Angst:
- Epikur glaubte, dass die meisten Ängste des Menschen – insbesondere die Angst vor dem Tod und die Angst vor Göttern – die Quelle vieler Leiden sind. Er lehrte, dass der Tod das Ende des Bewusstseins ist und daher nicht gefürchtet werden sollte. Der Tod ist einfach das Erlöschen der Wahrnehmung, also gibt es keinen Grund, Angst vor ihm zu haben.
- Ebenso lehrte er, dass die Götter sich nicht in das Leben der Menschen einmischen, sodass es keine Notwendigkeit gibt, sich vor göttlicher Strafe zu fürchten. Götter, so Epikur, leben in einem Zustand der vollkommenen Ruhe und haben kein Interesse an menschlichen Angelegenheiten.
Die Natur als Quelle des Wissens:
- Epikur und seine Anhänger suchten das Verständnis der Welt durch Naturwissenschaften. Sie lehnten mystische Erklärungen ab und betonten, dass die Phänomene der Natur durch die Gesetze der Physik und die Bewegung von Atomen erklärbar sind. Epikur war der Ansicht, dass ein korrektes Verständnis der Naturgesetze und der Funktionsweise des Universums dazu beiträgt, Furcht und Angst zu überwinden, weil man erkennt, dass das Universum nicht von irrationalen Mächten kontrolliert wird.
Die Welt aus Atomen
Epikur entwickelte eine materialistische Weltsicht, die von der Vorstellung geprägt war, dass alles im Universum aus unteilbaren Teilchen, den Atomen, besteht. Diese Atome bewegen sich in einem leeren Raum und stoßen zusammen oder ab, was die Entstehung aller Dinge erklärt. Der Mensch selbst ist ein Produkt dieser atomaren Bewegung.
Diese atomistische Sichtweise hatte tiefgreifende Implikationen für Epikurs Ethik, da sie den Tod als natürlichen Teil des Lebens verstand: Wenn der Körper stirbt, zerfallen die Atome, und das Bewusstsein erlischt. Daher ist der Tod nichts, wovor man sich fürchten müsste.
Das Konzept des „ataraxia“ (Seelenruhe):
Der Zustand der Ataraxie ist eines der Hauptziele des Epikurismus. Ataraxie bedeutet völlige Abwesenheit von innerem Aufruhr und emotionalem Stress. Der Weg zu diesem Zustand führt über die Reduktion von Ängsten (insbesondere der Angst vor dem Tod und vor göttlicher Strafe) sowie durch die Vereinfachung der Wünsche und das Streben nach friedlichem, selbstbestimmtem Leben.
Die Epikureische Gemeinschaft:
Epikur gründete eine Schule, die bekannt wurde als der „Garten“ (griechisch Kēpos), ein privater Ort, an dem er und seine Anhänger lebten und lehrten. Diese Gemeinschaft war nicht nur philosophisch, sondern auch praktisch ausgerichtet und sollte den Weg zu einem glücklichen Leben aufzeigen. Die Schüler des Epikur übten eine Lebensweise, die auf Mäßigung und Entspannung abzielte, um ihre Ziele der inneren Ruhe und des persönlichen Glücks zu erreichen.
Epikurismus und die Moderne:
Der Epikurismus hat bis heute Einfluss, insbesondere in der westlichen Tradition der Ethik und der Psychologie. Einige seiner zentralen Ideen, insbesondere die Bedeutung der Freundschaft und die Vorstellung, dass das Glück durch die Kontrolle von Begierden und Ängsten erreicht wird, finden sich auch in modernen Konzepten wie der positiven Psychologie und in therapeutischen Ansätzen wie der kognitiven Verhaltenstherapie.
Epikurs Betonung auf das Streben nach innerem Frieden durch das Loslassen von übermäßigen Begierden und Ängsten hat in der heutigen Gesellschaft, die oft von Konsumismus und ständiger Erreichbarkeit geprägt ist, eine besondere Relevanz. Das Streben nach einem einfacheren, bewussteren Leben, das von Epikur gefördert wird, hat auch in der modernen Achtsamkeitspraxis und in minimalistischen Lebensstilen Eingang gefunden.
Kritik und Missverständnisse:
Der Epikurismus wurde im Laufe der Jahrhunderte oft missverstanden und mit einem oberflächlichen Hedonismus verwechselt. Während der Epikurismus in der Tat die Lust als höchstes Gut ansieht, bezieht sich dies auf die geistige und nicht auf die rein körperliche Lust. Epikur lehrte, dass das Streben nach Maß und Bescheidenheit – nicht der exzessive Genuss – der Weg zu wahrer Lust und Glück ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Epikurismus eine philosophische Praxis ist, die sich auf das Streben nach innerem Frieden, das Vermeiden von Ängsten und Schmerz sowie auf das Finden von Freude im Einklang mit der Natur konzentriert.